21 Oktober 2006

jawoll, frau noll!

Ein neuer Beauftragter muss her. Ein Kinderbeauftragter. Regt die Vorsitzende der Kinderkommission der Bundesregierung, Michaela Noll, an. Was soll der denn machen? Aha, jährlich einen Bericht zur Lage der Kinder veröffentlichen. Das macht nämlich der Kinderbeauftragte der französischen Regierung. Denn die haben so etwas. Was macht diese Kinderkommission eigentlich? Drei Google Links: Der erste stellt die Kommission vor, der zweite ist irgendwie nicht da und der dritte sagt, worum es geht.
Ich frage mich jetzt aber ernsthaft, wer denn demnächst mit viel Tam-Tam als Kinderbeauftragter eingesetzt wird. Ein abgelegter, jobloser Abgeordneter, der woanders keine Stelle mehr findet und der "Unterschicht" anheimzufallen droht? Der wäre dann doch der richtige, sozusagen aus der Praxis. ich erinnere mich an einen Pop-Beauftragten der Bundesregierung. Das war ja auch so ein Praktiker. Huch, gibts sowas überhaupt noch? Ich meine natürlich den Pop-Beauftragten, nicht die Regierung.
Auch im kommunalen Bereich sollte es, wie Frau Noll bemerkt, Kinderbauftragte geben. Na sowas, noch mehr Jobs, es geht aufwärts! Da finde ich noch eine Internetseite . Ja, watt denn? Gibts doch alles schon. Merkt das denn keiner? Natürlich nicht, dann wäre ja inhaltlich gearbeitet worden in diesen Palaver-Zusammenhängen, in denen es darauf ankommt, möglichst oft in den Medien abgebildet zu sein und eine gute Figur zu machen. Mal sehen, wie lange das Theater dauert.
hintergrund: presseportal

17 Oktober 2006

unterschicht?

Wir haben also eine Unterschicht. Das ist ja mal etwas, wovor man sich so richtig gruseln kann. Biertrinkendes arbeitsscheues Gelichter mit einem Bildungsgrad, der jeden Lehrer an seinem Beruf verzweifeln läßt. Jetzt müssen wir aber aufpassen, dass die nicht alle NPD wählen. Was also ist zu tun? Müntefering hat´s mal wieder auf den Punkt gebracht. Ihr müsst euch mehr anstrengen, sagte er an die Adresse der Arbeitslosen und sonstigen Schmarotzer, die sich auf unsere Kosten die Taschen mit Steuergeldern vollstopfen. Oder was meint er sonst? Alle Kollegen vor ihm haben das bisher mehr oder weniger unverblümt so formuliert. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Eine feine Gesellschaft.
Dass die Initiativen für ein Grundeinkommen nicht schon längst täglich als Hauptschlagzeile in allen Medien erscheint, wundert mich ein bisschen. Sind denn die Damen und Herren der Oberschicht mit dem Klammerbeutel gepudert? Begreifen sie nicht, das sie selbst es sind, die mit ihrer Politik dafür sorgen, dass die Karre so tief im Morast sitzt? So wird es nicht laufen, Herr Müntefering. Wenden Sie sich doch mal vertrauensvoll an Menschen, die sich unter dem Begriff Soziale Politik etwas vorstellen können. Es gibt solche Leute. Aus Ihrem Munde, lieber Münte, würde ich gern mal das Wort Grundeinkommen hören. Warten Sie doch nicht, bis Ihnen die "Unterschicht" vor lauter Verzweiflung an die Gurgel springt. Und wie wäre es tatsächlich mal mit etwas mehr Bildung? Sie sollten sich mal umsehen im Lande, was es da für Ideen gibt. Es reicht eben nicht, die Kindergärten mit Computern zu beglücken und zu glauben, dadurch entstehe Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Damit werden die lieben Kleinen mit noch mehr mit Werbung vollgeballert als es ohnehin schon geschieht.
Leicht kann sich aber auch der Verdacht einstellen, das ganze aufgeregte Palaver soll von der Debatte um die Atomenergie ablenken. Ich wäre gern mal Mäuschen bei euren Sitzungen, ich glaube, meine Nackenhaare würden sich derart sträuben, dass man mich für ein Stachelschwein halten könnte. Ist euer Zug eigentlich noch aufzuhalten?

09 Oktober 2006

buchmesse am freitag. impressionen


Es ist irgendwie anders. Die Buchmesse ist ein immer wieder ein beeindruckendes Ereignis und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, als ob sich etwas verändert hat. Es scheint ruhiger geworden zu sein. Nein, immer noch sind die Stände der großen Verlage dicht umlagert von Menschen. Die Großen halten Hof und zeigen ihre Muskeln. Dennoch ist die multimediale Präsenz einer ruhigeren Darstellung gewichen. Es scheint nicht mehr bunt um jeden Preis zu sein. Die schreienden Präsentationen des vergangenen Jahres sind verblichen, ist eine neue Seriosität eingekehrt? Vielleicht hat es etwas mit Hape Kerkeling zu tun? "Guck mal Mama", ruft die ca. 17-jährige Tochter, "da ist er". "ich seh nix" ist die lakonische Antwort. Und so sieht es dann überall aus, wo ein halbwegs prominenter Gast am Stand eine Lesung hält oder ein Interview gibt. Ungefähr 20 Mal habe ich in den letzten Tagen gehört, wie Kerkeling sich auf die Suche nach Gott begeben hat. Eigentlich nichts Besonderes. Herr und Frau Schmidt aus unserem Dorf haben auch den ganzen Jakobsweg abgeschritten und zwar von zu Hause aus.
Mir fällt auf, es klingelt nicht mehr an jeder Ecke, auf jeder Rolltreppe und auf der Via Mobile. Ist man nicht mehr so wichtig? Fast scheint es so. Das Hörbuch boomt, es ist zu merken, dort ist viel Betrieb. Ich sollte ich mir auch einmal eines zulegen. Ärgerlich ist eigentlich nur, dass sich mit Hörbüchern keine Blumen pressen lassen und Lesezeichen braucht man auch nicht mehr. Schade irgendwie.
Auch der Herr Köhler, war da. Abgeschirmt von Bodyguards machte er seinen Besuch. "Plötzlich stand ein Schrank vor mir, da ging es nicht mehr weiter", erzählt mir einer, der ihn gesehen hat. Mit Schrank meinte er natürlich den Leibwächter.
In Halle 8, da wo auch die amerikanischen Verlage ihre Stände haben, wird ordentlich kontrolliert. Der nette Kontrolleur zuckt die Schultern, "was will ich machen?" und: "tut mir leid". Sonstige Sicherheitsvorkehrungen? Hier und da zwei Polizisten, eher gelangweilt. Es passiert ja doch nichts. Beim Vorwärts, der alten SPD-Tante, lümmeln sich Alt-68er auf Sitzklötzen und warten auf.... Ja auf wen eigentlich. Hab ich doch glatt vergessen. Durchschnittsalter ca. 65. Zwischendurch ein Besuch beim Dampfradio, einer Zeitschrift mit umfangreichen Informationen über das Radioprogramm in Deutschland. . Lesenswert. Ich beschließe, einmal einen Bericht auf Themen der Zeit über diese Zeitschrift zu machen. Der bärtige Chef zeigt mir ein Bild seines neuen Verlagsgebäudes, ein bisschen wie das erste Goetheanum, sagt er stolz und dann: "Wie kann man nur in Beton bauen!" Leider will er mir das Bild nicht geben, so mache ich ein Foto. Hoffentlich ist es was geworden. Weiter geht es vorbei an den Boxen der kleineren Verlage, obligatorisch ein Besuch bei Herrn Schardt aus Oldenburg, früher Igel-Verlag in Paderborn. Ein kurzer Händedruck, man kennt sich, ein paar Worte und weiter gehts.
Da wieder ein Gespräch vor Publikum. Ein Stadtschreiber aus Trier, ein Inder. Indien ist Ehrengast bei dieser Buchmesse. Die Zuschauer sind alle zwischen 16 und 18, Schüler von Gymnasien. Heimspiel. Trier gegen Trier? Es klingt belehrend, langweilig, zwei Schülerinnen wiederholen immer das erste Wort des Vortragenden und kichern dabei, immer ist das erste Wort zu laut und überbetont. Kurz bevor ich im Stehen einschlafe, gehe ich weiter. In der Halle der Inder ruhiges Treiben auch hier ein Gespräch unter Freunden vor Publikum, aber es sind nicht viele, die sich dafür interessieren. Zu groß scheint das Angebot auf dieser Messe zu sein. Ausverkauft, hat die Messeleitung verkündet. Jeder Zentimeter. Trozdem, und das ist angenehm, viel Freiraum, mir erschien es auch schon einmal enger auf der Buchmesse.
Bei Chrismon, der evangelischen Zeitschrift, die als Verlagsbeilage zur Süddeutschen und Zeit daherkommt, ist man jetzt auch unter die Buchverleger gegangen, erscheinen wird ein Bildband über Kirchen, die im 20. jahrhundert gebaut worden sind. Sehr modern, die Bilder gefallen mir. Werden neue Formen neue Formen nach sich ziehen?
Auch die Kultur-Kreativen haben wieder einen Gemeinschaftsstand, schade, ich hätte gern jemand von der Info3 getroffen und ein bisschen über die Weihnachtsspiele geplaudert.
Was machen die Anthros? Steiner Verlag, Freies Geistesleben, Urachhaus. Alle in Halle 3. Religiöses und Spiritualität. Auch die Firma Archiati ist vertreten, aber ich werde bei denen das Gefühl nicht los, in einer Missionsstation gelandet zu sein. Ansonsten freundliche Atmosphäre und Zurückhaltung. Ein nettes Gespräch bei Freies Geistesleben. Offenheit, trotzdem: "die Zeiten sind nicht rosig". Geplänkel beim Steiner-Verlag, Michael Bader und Max Michels im verbalen Schlagabtausch, es darf schließlich auch mal gelacht werden. Bei Patmos gegenüber etwas irritierte Blicke. Naja, es ist auch schon kurz vor Ende dieses Messetages, so langsam kehrt Ruhe ein, hier und da ein Gläschen Sekt, ein Wein, ein Bier. Es entspannt sich. Es scheint die Ruhe vor dem Sturm zu sein, denn am Samstag und am Sonntag ist auch für den "Nicht-Fachbesucher" geöffnet.
Später werde ich lesen, das es 254 Besucher weniger als am Freitag der letzten Buchmesse gewesen sind. Ich wusste doch, dass sich etwas verändert hat.

04 Oktober 2006

licht aus!

Aus einer Pressemitteilung der Grünen:
Zur Stromwechselkampagne "Atomausstieg selber machen!" erklärt Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
"Die großen Energieversorger verlassen den Atomkonsens. Deshalb rufen wir ihre Kunden auf, diese Energieversorger zu verlassen und auf Ökostrom umzusteigen."

Feine Sache. Die Grünen rufen dazu auf, den Atomausstieg selber zu machen. Das ist eine gute Idee. Eigentlich schon, seit es den Widerstand gegen Atomkraftwerke gibt. Warum ist da eigentlich vorher noch nie jemand drauf gekommen? Ich würde es vielleicht mal mit konstanter Strombezugsverweigerung probieren. Wenn dann noch der Reststrom, der gebraucht wird, aus Öko-Erzeugung kommt, dann wird ein Schuh aus der Geschichte. Denken Sie doch nur einmal an den demographischen Faktor, wenn wir öfter mal das Licht ausmachen und uns bei Kerzenlicht die Zeit vertreiben. Wir könnten mal mit dem Zug zur Oma fahren und mit dem Fahrrad zum Briefkasten. Andererseits, so ein Porsche mit 300 PS ist schließlich auch nicht zu verachten und unsere drei Computer, die drei Fernseher und die ganzen Hifi-Anlagen in der Familie müssen ja auch irgendwie betrieben werden. Es heißt also, den goldenen Mittelweg zu versuchen. Der besteht meines Erachtens darin, dass unsere Leitgesellschaft sich einmal auf den Boden der Tatsachen begibt, auch wenn es dort staubig und wenig attraktiv zu sein scheint. Sonst werden die braunen Rattenfänger, deren staatstragendes Erscheinen wir in letzter Zeit zur Kenntnis nehmen müssen, uns schnell mal eben in die Weser jagen. Bei Grohnde ist die Weser schön warm. Aber, Spass muss sein, sagte Cramer* früher immer, sonst geht keiner auf die Beerdigung.

Weitere Informationen www.gruene.de und unter www.atomausstieg-selber-machen.de/wechsel