18 Januar 2007

who? my generation.

Tessin ist überall...
Was schlummert in Menschen? Welche Kräfte brechen sich Bahn, wenn die Phantasie Realität wird. Blutige Realität. Die Phantasie zu Leben wird und ein nicht mehr kontrollierbares Eigenleben entfaltet?
Wir leben in einer Zeit, die mit Bildern spielt und Szenarien vorstellt, die denen in nichts nachstehen, wie sie manchmal im richtigen Leben angetroffen werden. Die Kinos sind voll davon und immer öfter siegen die Bösen. Die Bösen siegen über das noch Bösere und sie sind nicht zu fassen. Sind Gentleman-Gangster, verliebte Auftragskiller und nachdem sie den Geldkoffer aus dem Bahnhofsschließfach geholt haben, lassen sie sich von der karibischen Sonne braten, stehen versonnen am Strand. Abblende, Abspann, das wars. Halt, die Gangsterbraut noch.
Schauen wir in die Verwaltungen von Filmproduktionsfirmen. Worum geht es dort eigentlich? Kreativität, Kunst? Sie, die Produzenten der Illusionen von Leben, Glück und Hass, von Gewalt und nochmal Gewalt, zeigen uns wo es lang geht. Jeden Tag zeigen sie, abrufbar über die Fernbedienung, ausleihbar in jeder Videothek denen den Weg, die keine Perspektive haben. Selbst wenn es so scheint, als hätten sie eine.
Und unsere Kinder? Es brodelt in ihnen, unmerklich brodelt es in ihnen, sie wachsen nicht mehr mit Märchen auf, in denen das Gute die Oberhand behält, nicht mehr mit Winnetou und Old Shatterhand und dem Schwur, füreinander einzustehen. Blutsbrüderschaft. Ehre und Ritterlichkeit. War es das Recht des Stärkeren? Nein, das Recht des Rechts. Manchmal sogar des Menschenrechts.
Alter Schnee. Der Zug ist abgefahren. Verzweifelt stehen die Eltern am Bahnsteig, mit Tränen in den Augen fragen sie sich, was sie falsch gemacht haben. Nichts, sage ich. Nichts habt ihr falsch gemacht. Aber ihr seid verloren. Gepackt von der Droge Geld, von der Droge Haben und Macht. Ihr habt sie nie besessen, die Macht, auch nicht das Geld.

Auf der Terasse unseres Einfamilienhauses braten wir unsere Schnitzel und fühlen uns so richtig gut, wie die feinen Leute, und aus unserer Stereoanlage aus dem Mediamarkt oder dem Otto-Katalog rumpeln Karl Moik, Udo Jürgens, Vicky Leandros und wie sie alle heißen. Sie bringen nur ein wenig Entspannung und Freude ins Haus. Bescheidene Künstlermillionäre sind es, mit treuem Augenaufschlag lächelnde Vertreter einer Verdummungsindustrie, die sich als unsere Freunde ausgeben.
Sie lassen uns nicht erwachsen werden, uns Eltern. Sie lassen uns in dem Glauben, das immer noch das Gute siegen wird und das Böse verliert. Und das alles immer so weitergeht. Doch es ist nicht mehr so einfach und unsere Kinder haben das erkannt. Sie kennen ihre Eltern nicht mehr. Sie kennen die Welt, ihre Welt, losgelöst von den Konventionen und Zwängen der Normalität und spielen doch immer wieder dieses Spiel Normalität mit. Unsere Normalität. Alles ein Spiel. Noch nicht gemerkt? Bis zu dem Moment, wo die Phantasie plötzlich die Normalität überflügelt und ein echtes Leben beginnt. Wie entsteht Phantasie?

04 Januar 2007

heinrich böll und die cia

Könnte es sein, dass es doch um etwas anderes geht, als um Aufklärung und Offenheit? Bei den Recherchen über Heinrich Böll, der mich nicht erst interessiert, seit es um ihn und den CIA geht, stoße ich auf interessante Fakten. Und immer mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sich bei den Kollegen der Webseite "german foreign policy" um Zeítgenossen handelt, die den Zusammenbruch des sowjetischen Reiches noch nicht so richtig verwunden haben. Die krampfhaften Versuche, Beweise für die These zu finden, die Welt sei voll von Spionen und Organisationen zur Unterdrückung der Menschheit unter Zuhilfenahme des Kapitalismus, entbehren nicht einer gewissen Komik. Da wird eine Ansammlung von alten Herren, die sich nach ihrer Pensionierung die Zeit in einer pseudojournalistischen, von allen staatlichen Stellen belächelten und als eher peinlich empfundenen Einrichtung namens IADM vertreiben, schon mal zu einer mächtigen, geheimdienstliche Fäden ziehenden Organisation hochstilisiert und jeder Deal eines international agierenden Unternehmens als Übernahme eines Drittwelt-Landes gebrandmarkt. Gäbe es Fotos der Redakteure dieser kuriosen Seite, sie hätten alle diesen verkniffenen Zug um den Mund, der denen eignet, die immer noch nicht gemerkt haben, dass Entwicklung etwas Zukünftiges und nicht etwas Vergangenes bezeichnet.
Immer mehr komme ich zu dem Ergebnis, dass diese Dinosaurier einer vergangenen Epoche sich immer noch für die Besseren halten. Von Aufbruch allerdings keine Spur, keine positiven Signale zur Veränderung trüben diese nach rückwärts gewandte und antik erscheinende Gemäldegalerie. Ne Jungs, da solltet ihr schon mal drüber nachdenken, irgendwie bringt das die Welt nicht weiter. Mich erinnert diese Form von Journalismus an einen kaputten Staubsauger, der vorne saugt und den Dreck hinten wieder rausbläst. Manchmal hilft es, den Beutel zu erneuern, manchmal ist es aber auch besser, den Staubsauger wegzuwerfen und einen neuen zu kaufen.
Zurück zu Heinrich Böll. Der hatte es doch tatsächlich gewagt, nicht nur bundesrepublikanische Zustände zu beschreiben, sondern auch Kritik an den damaligen Verhältnissen in der Sowjetunion zu üben. Er unterstützte Oppositionelle und Dissidenten. Sein Mitgefühl und sein Engagement galt Menschen, die für ein freieres Land kämpften und litten. Es galt Menschen, die Überwindung von Mauern und Grenzen in den Köpfen zu ihrem Lebensinhalt gemacht hatten. Die politisch und literarisch gegen Dummheit und Falschheit Stellung bezogen. Es galt Menschen, die über den Tag hinaus dachten, die Visionen hatten, die nicht in Ordnern und Dossiers abzuheften sind. So etwas ist gefährlich. Denken ist eben immer gefährlich und denkende Menschen sind unberechenbar für die Mächtigen und deren Mitläufer. Überall auf der Welt können wir davon ein Lied singen. Von Washington nach Kapstadt, von London nach Moskau, es ist überall dasselbe Lied. Und auch darüber hat Heinrich Böll geschrieben. Über Menschenrechte hat er geschrieben und darüber, was es ausmacht, ein Mensch zu sein. Das ist auch heute noch immer nicht einfach in einem Land wie unserem, das seine Vergangenheit nicht einfach abwerfen kann wie einen getragenen Mantel. Zu Recht, wie ich meine. Aber es braucht auch heute Mut, gegen jede Form von Borniertheit und Dummheit anzuschreiben. Die aber, die nach Schuldigen für ihre eigenen Versäumnisse suchen und Unrat wittern, wo keiner zu wittern ist, sollten sich an ihrer eigenen Nase aus dem von ihnen selbst erzeugten Dreck ziehen.