10 Juli 2007

Kalter Kaffee

Ausnahmsweise stelle ich hier einmal einen Artikel ein, der auf www.themen-der-zeit.de erschienen ist. Sozusagen "second hand".
In der letzten Zeit häufen sich die Angriffe auf die Waldorfpädagogik und die Anthroposophie. Der Artikel widmet sich einem Beitrag aus der gestern erschienenen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Natürlich greifen viele Medien dieses Thema auf, denn es ist immer für ein bisschen Aufregung gut. Und soo viel Interessantes ist im Moment ja nicht zu vermelden. Da freut man sich vielleicht über ein bisschen Aufregung, denn so etwas belebt das Geschäft. Es ist aber schon etwas seltsam, dass manche Menschen einen derartigen Drang verspüren, die Welt vor Rudolf Steiner retten zu müssen. Wie kommt das bloß? Irgendwie bin ich ratlos. Die Vermischung der beiden Begriffe Gewalt und Rassismus scheint beabsichtigt. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern mehr. Das erinnert sehr fatal an genau jene Zeit, die diese "Volksaufklärer" im Sinn haben, wenn sie der Anthroposophie und den Waldorfschulen Rassimus vorwerfen.

Neues aus Frankfurt

Rassimus und Gewalt an Waldorfschulen?

mm/tdz. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung weiß es wieder einmal ganz genau. In der Überschrift zu einem Bericht ist bereits die Intention zu erkennen, Waldorfschulen und die Anthroposophie in die Schublade "latent vorhandener Rassismus" einzuordnen: "Das Familienministerium will die Jugend vor Rudolf Steiners Rassentheorie schützen. Eine Studie verzeichnet Gewalt an Waldorfschulen." So lautet die Unterzeile zur Hauptüberschrift: "Im Neger wird fortwährend gekocht."

Zitiert wird sodann vom Autor Alexander Kissler aus einer Ende 2005 erstellten Studie des Kriminologischen Instituts Niedersachsen. Aus der Tatsache, dass sich Neuntklässler an Waldorfschulen häufiger prügeln und sich öfter gegenseitig ihre Klamotten klauen als Jugendliche an Haupt oder Gesamtschulen, leitet sich offensichtlich die Überschrift "Studie verzeichnet Gewalt an Waldorfschulen ab". Die Prozentzahlen liegen hier nicht so weit auseinander, dass man von einem gravierenden Unterschied sprechen kann. Falsch wäre es natürlich, hier die Augen zu verschließen und auch die Waldorfschulen werden an diesen Fragen arbeiten müssen. Verwunderlich ist allerdings, dass ausgerechnet ein Kennzeichen von Rassimus, nämlich "gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen", an Waldorfschulen weit weniger (0,4%) festgestellt wurden als an Haupt- oder Gesamtschulen (9%/6%). Dies deutet nicht gerade auf einen an Waldorfschulen besonders ausgeprägten Rassismus hin, selbst wenn man zugesteht, dass es an Waldorfschulen vergleichweise wenig Migranten-Kinder gibt. Sieht man sich einmal genauer in der Welt um, stehen beispielsweise gerade bei Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zumeist Waldorfschüler in der vordersten Reihe.

Worum also geht es bei diesem Beitrag noch? Es geht - wie schon öfter - um den Vorwurf des Rassismus. Wieder einmal geht es um Stellen im Gesamtwerk Rudolf Steiners, das bereits vor Jahren von einer Kommission niederländischer Anthroposophen in einer umfangreichen Studie untersucht wurde. Seinerzeit waren etliche Textstellen durchaus selbstkritisch als "aus heutiger Sicht" diskriminierend und deshalb auch als fragwürdig eingestuft worden. Für die Medien ist eine solche Tatsache natürlich eher zu den sogenannten "Good News" zu rechnen, was bedeutet, dass derartige Nachrichten nicht so leicht den Eingang in überregionale Tageszeitungen finden und auch für Kritiker scheint das Vorhandensein einer solchen Auswertung eher hinderlich zu sein.

Für die Verantwortlichen in der Waldorfschulbewegung könnte die Zurückhaltung bei diesem Thema darauf zurückzuführen sein, dass es für mehr oder weniger irrelevant gehalten wird, da diese Inhalte sowieso kein Bestandteil eines Lehrplanes der freien Waldorfschule sind. Eingehend auseinandergesetzt hat sich Detlef Hardorp mit diesen Fragen in seinem Beitrag "unzeitgemäßes Vokabular" auf TdZ. Bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften wird vermutlich im September über den Antrag entschieden, zwei Bücher aus dem Gesamtwerk Steiners zu indizieren. Dazu schreibt Jens Heisterkamp in einem Kommentar für Info3: "..die Berliner Gender-Forscherin Jana Husmann-Kastein, deren linkem Ideengut die FAZ sonst keine müde Zeile einräumen würde, hat das Familienministerium so lange bearbeitet, bis dies einen Antrag auf die Prüfung zweier Bücher Steiners wegen angeblich jugendgefährdender Inhalte stellte. Schon zum zweiten Mal binnen Wochen bezieht das Frankfurter Blatt (nach der kürzlichen Kritik an der Waldorfausbildung von Heike Schmoll) damit seine Kenntnisse von versprengten Krypto-Informanten."

Worum, so fragt sich der Leser also abermals, geht es aber in dem Artikel der FAS denn nun wirklich? An dieser Stelle könnte man sich die weitergehende Beschäftigung mit dem Thema eigentlich sparen und zur Tagesordnung übergehen, würde man nicht die beiden im letzten Teil des Berichtes genannten "Krypto-Informanten", Andreas Lichte und Jana-Husmann-Kastein als die Chef-Aufklärer eines von Ihnen selbst inszenierten Feldzuges gegen die Waldorfpädagogik und die Anthroposophie sehen. Hier sei mir doch noch eine Bemerkung erlaubt: Herrn Lichte einen ehemaligen Waldorflehrer zu nennen, suggeriert, es handele sich um einen Aussteiger aus der Waldorfszene, der seine Erfahrungen aus dem Waldorf-Alltag beschreibt. Nur hat Herr Lichte nach meiner Kenntnis im Anschluss an seine Ausbildung noch nie als Waldorflehrer gearbeitet, sondern er beschäftigt sich offensichtlich ausschließlich mit der Aufklärung über das von ihm während seiner Ausbildung Erlebte. Er könnte es eigentlich besser wissen, will es aber gar nicht. Insofern erinnert er ein wenig an die Gebrüder Grandt (Schwarzbuch Anthroposophie), die ihren Kreuzzug gegen die Waldorfpädagogik in den neunziger Jahren führten, oder den aus Paderborn stammenden Reinhard Wiechoczek (IzAK), dessen Spuren seines Kampfes gegen die Waldörfler sich inzwischen in den Weiten der virtuellen Welt verflüchtigt haben. Heute kämpft dieser brave Kreuzritter um die Finanzierung zur Errichtung einer Sternwarte in Bad Lippspringe. Seine Initiative zur Anthroposophie-Kritik führt entweder ein Dasein unterhalb jeglicher Wahrnehmungsschwelle oder existiert überhaupt nicht mehr.

Was aber bedeutet die von mir etwas weiter oben angemerkte Rückkehr zur Tagesordnung? Nun, die Waldorfbewegung und die Anthroposophische Gesellschaft wäre gut beraten, sich nicht zu sehr aufzuregen. Waldorflehrer sollten sich stärker mit aktuellen politischen Fragen auseinandersetzen und vor allen Dingen einen klaren Kopf behalten. Denn wenn schon die Welt um sie herum aus den Fugen gerät, weil die Kritiker der Anthroposophie in ihrem investigativen Eifer glauben, sie müssten die Welt vor Rudolf Steiner retten, ist es vielleicht gerade die Waldorfschule und ihre Lehrer, die klarmachen können, dass es noch wichtigere Dinge auf der Welt gibt. Die Waldorfschulen können und sollten sich öffnen und ihre Konzepte - die nach meiner Auffassung alles andere als rassistisch sind - der Öffentlichkeit mit mehr Selbstbewusstsein vermitteln. Alles andere ist kalter Kaffee, der auch nach dreimaligem Aufkochen nicht besser schmeckt.

Weitergehendes zum Thema:
Detlef Hardorp:
http://www.themen-der-zeit.de/content/Unzeitgemaesses_Vokabular.92.0.html
Kommentar Heisterkamp:
www.info3.de
Leist/Bader/Ravagli- "Rassenideale sind der Untergang der Menschheit":
http://www.waldorf.at/bilder/antisem.pdf



05 Juli 2007

schleierhaft

Die Lust am Streit und die Verbreitung der eigenen politischen oder religiösen Weltanschauung ist unter Bloggern relativ weitverbreitet. Manchmal wird das natürlich ein wenig verschleiert und verziert, damit es nicht so auffällt. Ein Beispiel ist der Blog "politically-incorrect" aus Kölle. Der ist nun nicht verschleiert, sondern kommt zur Sache. Zitat: "In Bangladesh haben Muslime in einem Dorf in der Provinz Nilphamari zehn Christen krankenhausreif geprügelt, sie gefesselt und einige mit dem Tode bedroht. Besonders die letzte Zeile dieses Berichtes fanden wir interessant: ‘Rund 83 Prozent der 139 Millionen Einwohner sind Muslime und 16 Prozent Hindus. Christen und Buddhisten machen zusammen etwa ein Prozent aus.’ Was für eine Bedrohung geht von einer Minderheit aus, die noch nicht einmal ein Prozent ausmacht".
Nicht ist gegen diese Meldung einzuwenden, denn so etwas kann ja auch zum Nachdenken über Entwicklungspolitik oder menschliches Verhalten oder Fundamentalismus und Gewalt und ...oder....anregen.
Im Kontext der Ausrichtung dieses Blogs gibt es dann aber schon zu denken, wenn man einen Kommentar wie diesen dazu liest:
"Wird Zeit, das da mal wieder eine Chemiefabrik hoch geht. Danach dann eine Flut. 139 Mio!!"
Derartige Kommentare sind dort einige zu finden und manchmal kann einem dabei schon die Spucke wegbleiben. Aber ich bin wahrscheinlich zu empfindlich. Wie man Seiten, deren Beiträge es offensichtlich darauf anlegen, Kommentare hervorzurufen, aus denen dann der blanke Hass spricht, allerdings verlinken kann, ist mir schleierhaft.