17 Januar 2008

jens jessen in der zeit

Ich überlege noch, was ich mit dem Videobeitrag von Jens Jessen anfangen soll, dem Feuilleton-Chef der Zeit. Der sagt, er hat ein Problem mit der deutschen Intoleranz. Der deutsche Spießer sei das Problem, sagt er. Da ist etwas dran. Besonders scheinbar im Falle der durchgeknallten Hamburger Rentnerin, die die Notbremse gezogen hat, weil sie sich von besoffenen Jugendlichen bedroht fühlte. Nun komme ich langsam in das Alter, in dem man sich manchmal mit durchgeknallten Rentnern solidarisiert, weil man feststellt, dass es eben manchmal auch so ist, wie diese Dame es erlebt hat. Andererseits möchte man den Eltern der durchgeknallten Jugendlichen zurufen, sie mögen ihre Sprösslinge mal fragen, warum sie durchgeknallte Rentner ärgern. Natürlich, werden Sie sagen, wir haben ja auch Klingelmännchen gespielt und wir haben der Katze des Nachbarn eine Blechdose an den Schwanz gebunden. Ja, klar, man muss doch den Spießern zeigen, was man von ihnen hält. Nur leider geht die Welt heute nicht mehr so. Heute kommen die Kiddies nach Hause und was finden sie vor? Ihre Alten, entweder besoffen vor dem Fernseher (vorzugsweise vor dem "Scheiß-Privatfernsehen", (Oettinger") oder von dem Computer. Vielleicht sind sie ja nicht, da, dann sind sie im Theater, bei Jaques-Wein-Depot oder in sonst einem Szene-Shop. Wer hat denn noch die Zeit, sich darum zu kümmern, was mit seinen Kindern los ist? Jaaa, bei der Neo-Nazis, da ist Zucht und Ordnung, da kommt sowas nicht vor. Deshalb ist ja auch oft von den "angeblichen fremdenfeindlichen" Aktionen deutscher Musterknaben die Rede. Mich erinnert das gerade an die Geschichte von den netten jungen Leuten, die ihre Festplatte mit Nazimusik vollgepackt hatten, nationalsozialistische Embleme und Fahnen in ihrem Kinderzimmer aufgehängt hatten und bei denen "fremdenfeindliches Verhalten" ausgeschlossen wurde, als sie sich mit Ausländern prügelten. Wo, frage ich, sind wir eigentlich? Polizisten wissen nicht wer Anne Frank ist, lassen Nazis Bücher verbrennen und schauen zu? Zugegeben, das ist schon eine Weile her, aber ich bin eben nicht der Schnellste und an manche Sachen sollte man einfach noch mal erinnern.
Den Kollegen, die sich so sehr über die Meinung des Herrn Jessen echauffieren, empfehle ich einmal einen Blick in die Kommentare des Blogs PI - politically incorrekt. Wenn wir schon über den Zeitgeist reden, hier ist er. Aber nicht mehr in der Flasche oder in den Hinterzimmern, sondern er sitzt in der Gaststube. Und zwar am Fenster, da wo die Stammtisch steht. Da werden übrigens Wahlen entschieden, wie man ja auch schon mal bei Herrn Koch gesehen hat. Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, glaube ich, wann dieser Zeitgeist draussen auf der Terasse in der Sonne sitzt. Und wenn sie jetzt nicht verstehen, was ich mit all dem sagen will, lesen Sie mal wieder ein gutes Buch, gehen sie mit ihren Kindern mal ins Kino, fahren sie, aber nur wenn sie nicht durchgeknallt und über 50 sind, nicht nachts mit der U-Bahn und denken sie mal darüber nach, was Freiheit eigentlich ist. Roland Koch, Mediamarkt, Bitburger oder das Handy-Display ihrer Kinder.