03 Juni 2006

grundeinkommen

Das ein bedingungsloses Grundeinkommen eine wunderbare Sache wäre, ist jedem halbwegs intelligenten Menschen sofort einleuchtend. Dass die Disskussion über das bedingungslose Grundeinkommen (im folgenden BGE genannt) auf einem relativ hohen Niveau geführt wird, liegt auch ein bisschen an der prominenten Unterstützung durch Götz Werner und durch die damit verbundene Medienpräsenz.
Durch die derzeitige Debatte um Hartz IV und die damit verbundenen neuen Finanzierungsschwierigkeiten könnte dieses Thema nochmals an Gewicht und Schärfe zunehmen. Das "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" Prinzip, von Volker Kauder in der letzten Zeit wieder postulierte Credo der Regierungspartei CDU, wird auf Dauer nicht mehr durchzuhalten sein. Kürzungen und Restriktionen bei der Vergabe von Hartz IV Geldern mögen zwar die Kassen entlasten, aber ob sie die Herzen der Bürgerinnen erreichen, darf als fraglich bezeichnet werden. Wann wird die Idee dieses BGE Einzug in die Politik halten? Das ist angesichts der weiterhin angespannten Lage des "Arbeitsmarktes" eine berechtigte Frage.
Wenn es dem Bürger zu bunt wird, geht er demonstrieren? Wann hat eigentlich zum letzten mal so eine richtige Demonstration stattgefunden? Für mich gibt es nur drei deutliche Beispiele, bei denen durch den Willen und die Kraft dieses Willens spürbare Veränderungen stattgefunden haben. Die "Revolution" der 68er, die Atomkraft- und Raketenstationierungsdiskussion Mitte der 80er und der Fall der Mauer 1989. In allen drei Fällen war die Politik gezwungen, Farbe zu bekennen. Das bewirkte mit den unterschiedlichsten Auswirkungen Veränderungen, in deren Folge eine Demokratisierung der Hochschulen, eine Sensiblisierung der Umweltfragen und damit die Entwicklung neuartiger Energiekonzepte sowie die Auflösung der Machtblöcke Ost und West einherging. Andere Willensbekundungen von Betroffenen sind in den meisten Fällen mehr einem privaten (in den meisten Fällen auch berechtigten) Bedürfnis nach mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Gerechtigkeit für bestimmte Berufsgruppen usw. entwachsen. Damit meine ich, dass der Software-Ingenieur nicht neben der Krankenschwester auf dem Marktplatz steht, sondern dass sich jeder in seinem Umfeld um seine Interessen kümmert.

Seit 1990, der Zeit der Globalisierung, der Öffnung der Weltmärkte (für einige wenige!) und der Zeit der Digitalisierung ganzer Lebens und Arbeitsbereiche, findet ein Wandel statt, dessen Auswirkungen noch nicht zu übersehen sind. Dem Gesetz der Serie zufolge müsste demnächst wieder etwas geschehen, dass radikale und spürbare Auswirkungen auf die Gesellschaft haben wird. Sozusagen als vorläufiger Endpunkt und damit als Beginn einer neuen Entwicklung.
Das Grundeinkommen mag auf den ersten Blick dafür nicht der Auslöser sein, die damit gekoppelte Frage der Sinnhaftigkeit von Arbeit jedoch sehr wohl. An allen Ecken und Enden ist Veränderung zu spüren. Glaubt denn irgend jemand noch ernsthaft, dass eine Spass- und Eventkultur, wie sie uns immer noch von RTL und Co jeden Abend um die Ohren gehauen wird, auf Dauer Bestand haben wird?
Die offensichtliche Suche der Menschen nach einer neuen Spiritualität und eines neuen sozialen Umgangs miteinander sprechen eine deutlich andere Sprache. Hörbücher mit einem seriöseren Anspruch haben Hochkonjunktur (einmal abgesehen von Bohlen und Konsorten), Fernsehsender wie Arte, 3Sat und Phönix haben ernstzunehmende Einschaltquoten. Sind es auch oft nur pseudo-intellektuelle Sprechblasen, die von einzelnen Protagonisten einer neuen Zeit in die Luft gepustet werden, ganz von der Hand zu weisen ist diese Gedanke sicherlich nicht.
Wir leben ohne Zweifel in einer Zeit, die größtmögliche Freiheit möglich macht, die eine freie Entfaltung der Individualität auf ihre Fahne geschrieben hat, zumindest theoretisch, und die in genau diesen Möglichkeiten auch die Chance eines Umdenkens nutzen könnte. Anzeichen dafür sind als Keime, als zarte Pflänzchen wahrnehmbar, sie müssen gehegt und gepflegt und gegossen werden. Nur ersäufen sollte man sie vor lauter Eifer nicht. Die Größe der Gießkanne ist also nicht das Entscheidenende, sondern die Dosierung.